Employee Empowerment:
Der “Work from Anywhere” Trend als Chance für Unternehmen.

Remote Working ist seit der Corona Pandemie ein stark diskutiertes Thema. Der Wunsch nach hybriden Arbeitsformen und flexiblen Arbeitsorten ist vor allem bei den jungen Generationen deutlich gestiegen. Während Remote Working häufig mit Home Office verbunden wird, geht die Entwicklung bereits einen Schritt weiter: “Workation” oder “Working from anywhere” sind attraktive Varianten, die immer populärer werden.

Welche Chancen stecken in diesem Trend für Unternehmen? Wir haben mit Mag. Klaus Giller gesprochen, dem Co-Founder des New York-based Start Ups worlk, das basierend auf dem Work from Anywhere Trend ein interessantes Angebot für Unternehmen und deren Mitarbeiter entwickelt hat.

“Die Zukunft gehört den Unternehmen, die in der Lage sind, eine Unternehmenskultur zu implementieren, die über die physischen Grenzen eines Office hinausgeht.”

Mag. Klaus Giller

Co-Gründer worlk.com, einem in New York ansässigen Startup im Remote-Working Bereich. Der gebürtige Niederösterreicher begann seine Laufbahn in der Videospielbranche und war unter anderem bei Sony PlayStation in Frankfurt tätig. Als Marketingleiter des in Linz ansässigen iGaming Unternehmens bet-at-home.com trieb er über viele Jahre die Internationalisierung voran und leitete später von Berlin aus den Markteintritt des amerikanischen Human Genetics Konzerns Ancestry. Vor seinem Schritt in die Selbstständigkeit war Klaus Giller als Vice President Marketing bei Tractive für den Aufbau und die Skalierung der Marketingstrategie verantwortlich.

Neben worlk.com ist er Partner und CMO in einem iGaming Start-up und Gründer der auf datenbasierte Kundenakquise spezialisierten Marketingberatung „mrkt’in – simply cut the crap“. Klaus Giller hat an der Wirtschaftsuniversität Wien Internationale Betriebswirtschaftslehre studiert, schloss 2022 das renommierte Stanford Lead Programm erfolgreich ab, und ist Preisträger des Stanford Intellectual Contribution Awards im Bereich Business Models and Architecture. Er lebt und arbeitet heute von St. Pölten und Linz heraus.

Hubble: Euer Unternehmen heißt worlk. Welche Idee steht hinter worlk?

Klaus Giller: Worlk steht für „work anywhere in the world“ und die Idee dahinter ist, eine globale Business Community zu schaffen, um Unternehmen und deren Mitarbeitern eine bessere Remote Working Erfahrung zu bieten. Flexibel, preisgünstig, und vor allem interaktiv. 

Hubble: Gesellschaftliche Trends sind ein wichtiger strategischer Wegweiser für jede Art von Unternehmen, um sich für die Zukunft gut aufzustellen. Welche Phänomene habt ihr beobachtet, die euch auf die Idee gebracht haben, hier ein Angebot zu entwickeln? Gab es eine Initialzündung?

Klaus Giller: Nun, ich habe mich im Zuge des Stanford Lead Programms bereits sehr intensiv mit dem Thema „Travel und Leisure – oder verkürzt Bleisure“ beschäftigt, und wie man für Geschäftsleute die Freizeitgestaltung während dieser Geschäftsreisen interessanter gestalten kann. Mein Co-Founder George el Khoury hatte ebenfalls schon sehr viele Ideen in dieser Richtung. Mit Fortschritt der Pandemie wurde es immer offensichtlicher, dass COVID das Arbeitsleben komplett auf den Kopf stellen würde. Ich war damals bei Stanford mit HR-Führungskräften großer amerikanischer Konzerne in Kontakt, die plötzlich von einem Tag auf den anderen von office work auf remote work umsteigen mussten. Das ging mit unglaublichen Herausforderungen einher. Zwei wesentliche Erkenntnisse dabei waren:

1.    Entgegen der Annahme vieler Führungskräfte litt die Produktivität durch Remote Working in keinster Weise. Im Gegenteil. Studien belegen ganz klar, dass durch Remote Working die reine Produktivität entweder gleichblieb oder sogar stieg.

2.    Mitarbeiter fanden Gefallen an diesem für viele bis dahin noch ungewohnten Arbeitsmodell. Plötzlich war es für viele einfacher, Privatleben und Arbeit unter einen Hut zu bringen. Zudem sparten sich viele Menschen jeden Tag wertvolle Stunden, da sie sich nicht durch den Verkehr quälen mussten.

Gerade der letzte Punkt ist entscheidend: insbesondere in Branchen mit hochqualifizierten Arbeitskräften wie beispielsweise Fintech, Software Entwicklung oder auch in Agenturen gab es einen Power Shift, sprich die Macht verschob sich von Arbeitgeber- auf die Arbeitnehmerseite. Diese erkannte, dass durch Remote oder Hybrid-Modelle die Lebensqualität deutlich stieg. Das geht mittlerweile so weit, dass viele Arbeitnehmer sich gar nicht mehr vorstellen können, in das klassische Office Work Modell zurückzukehren und sogar weniger Gehalt zu akzeptieren bereit sind, wenn sie im Gegenzug mehr Freiheiten bekommen in Bezug auf die Gestaltung ihrer Arbeitszeiten.

Unternehmen sind auf diese Veränderungen nicht vorbereitet. Gerade in den USA sehen wir, dass die Antwort vieler Unternehmen ist, die Mitarbeiter zur Rückkehr in das Büro zu zwingen. Diese Unternehmen werden auf der Strecke bleiben. Denn gerade high talents wie Software Entwickler sind auf dem Arbeitsmarkt heiß begehrt und können sich das Unternehmen aussuchen.

All diese Umwälzungen brachten uns zum Schluss, dass es hier eine Lösung braucht. Unsere Lösung ist worlk.

Hubble: Ganz im Sinne von ROI: was bringt es dem Unternehmen? Welche Vorteile und Benefits stecken in dieser Art von Remote Work, wie worlk es anbietet?  

Klaus Giller: Aus Unternehmenssicht gibt es 3 klare Benefits:

1.    Mitarbeiterbindung und Personalrekrutierung: non-cash Anreize werden immer wichtiger für Mitarbeiter wie bereits zuvor angesprochen. Als Unternehmen muss ich mir überlegen, wie ich Anreize für meine bestehenden Mitarbeiter sowie potentielle neue Mitarbeiter schaffen kann. Worlk ist ein solches Angebot, das es mir erlaubt, Mitarbeiter aus ihrer Komfortzone zu holen und sie neuen Erfahrungen auszusetzen. Ich sehe auch einen ganz klaren Mehrwert darin, dass ich mithilfe von worlk insbesondere high talents bei ihrem persönlichen Wachstum unterstützen kann. Wieso? Nun, viele der für Führungskräfte ganz wesentlichen Fähigkeiten wie Empathie, Kommunikationsfähigkeit, oder auch Selbstwahrnehmung kann ich besonders gut entwickeln, wenn ich mit neuen Kulturen, neuen Menschen und Organisationen in Kontakt komme. Mit worlk kann ich dabei helfen, die Führungskräfte von morgen zu trainieren. Für potentielle Jobkandidaten ist worlk zudem ein Argument, mit dem man aus der Masse heraussticht und sich klar als progressives und mutiges Unternehmen positioniert. Man darf einen Punkt nämlich nicht vergessen, im Gegensatz zu vor 10 Jahren stehen lokalen Unternehmen auch stets in einem globalen Wettbewerb um die besten Talente. Tech Konzerne holen sich die besten Leute und werden immer liberaler was Arbeitsmodelle betrifft. Sie haben somit einen globalen Reach, weil viele Unternehmen mittlerweile auf ein remote first Modell umgestiegen sind. Sprich, nur weil ich in Linz wohnen möchte, heißt das noch lange nicht, dass ich auch nur bei einem Linzer Unternehmen arbeiten kann.

Viele, der für Führungskräfte ganz wesentlichen Fähigkeiten wie Empathie, Kommunikationsfähigkeit, oder auch Selbstwahrnehmung kann ich besonders gut entwickeln, wenn ich mit neuen Kulturen, neuen Menschen und Organisationen in Kontakt komme.

2.    Das Aktivieren von ungenützter Büro-Fläche: zu dem Thema gibt es zahlreiche Studien, aber grundsätzlich geht man davon aus, dass auch nach Ende der Pandemie 20-30% der Bürofläche ungenutzt bleiben wird. Wir sprechen hier von wertvoller Bürofläche, die einfach brach liegt. Mit worlk kann ich diese, überspitzt formuliert, Vergeudung in eine Chance umwandeln, mit neuen Unternehmen in Kontakt zu treten und Synergien zu heben. Ein Beispiel: ein Familienbetrieb, der Probleme mit der Social Media Strategie und grundsätzlich vielleicht mit der Digitalisierung hat. Wieso soll ein solches Unternehmen nicht einen Mitarbeiter einer Digitalagentur hosten? Die Idee ist nicht, dass dann dieser Mitarbeiter die Seiten wechselt, aber ich kann mir Input holen, kann mich vernetzen, und vielleicht arbeitet das Familienunternehmen dann mit der Digitalagentur zusammen wenn es passt. Worlk erlaubt es, einen internen Innovationsprozess zu starten, indem ich mir externen Input ins Unternehmen hole.

3.    Employer Branding 2.0: die größte Herausforderung für viele Unternehmen und insbesondere von HR Führungskräften ist die Etablierung einer Unternehmenskultur in einer Welt, die immer mehr in Richtung remote working driftet. Wenn ich als Unternehmen der Meinung bin, dass corporate culture nur dann erfolgreich implementiert werden kann, wenn alle wie in einem Hendlstall aufeinander sitzen, dann habe ich bereits verloren. Die Zukunft gehört den Unternehmen, die in der Lage sind, eine Unternehmenskultur zu implementieren, die über die physischen Grenzen eines Office hinausgeht. Und hier kann worlk helfen, eine positive und effiziente remote working culture zu etablieren.

Hubble: Aktuelle Studien verraten, dass viele Mitarbeiter gerade am Absprung sind oder diesen planen. Zwei Gründe dafür sind fehlender Sinn in der Arbeit und mangelnde Perspektiven. Einer Eurer Vorteile ist ja der interkulturelle Aspekt. Mitarbeiter lernen neue Kulturen kennen, arbeiten in einzigartigen Umfeldern remote, erhöhen ihr Eigenständigkeit. Wir können uns gut vorstellen, dass das auch sinnstiftend wirkt und neue Perspektiven ermöglicht. Was spielen euch die ersten Kunden – Mitarbeiter, die worlk genutzt haben – zurück?

Klaus Giller: Ich hatte es zuvor bereits angesprochen, das Eintauchen in neue Kulturen, egal ob länderspezifische Kulturen oder auch nur neue Unternehmenskulturen, lässt mich als Menschen wachsen und schärft viele soziale Skills, die so wichtig sind, wenn es darum geht, als Team zu arbeiten.

Ein Feedback aus unseren ersten worlk-Testläufen war tatsächlich, dass ein ganz großer Vorteil von worlk ist, dass man eben nicht isoliert arbeitet wie es beispielsweise im Home Office oder auch von einem Co-Working space aus der Fall ist. Klar, bei einem Co-Working space habe ich auch Leute um mich herum, doch das sind vielleicht jeden Tag andere. Einen wirklichen Anschluss habe ich in so einem Fall einfach nicht. Unsere erste worlkerin Katharina wurde in Bratislava von iquantis gehostet. Und sie betonte den positiven Austausch mit iquantis und wie fruchtbar das Teilen von Ideen war. Darum geht es uns bei worlk, um die Community. Ich vergleiche worlk gerne mit LinkedIn, aber mit richtigen Menschen. Wir sind uns sicher, dass die Basis für gute Geschäftsbeziehungen darin liegt, dass man zuerst den Menschen kennenlernt, bevor man über das Geschäft spricht.

Hubble: Was sind die Hürden von „working from anywhere? Mit welchen „Abers“ seid ihr konfrontiert, wenn ihr mit Unternehmen darüber sprecht?

Klaus Giller: Tatsächlich waren wir überrascht, wie groß die Bereitschaft von Unternehmensseite war, Mitarbeiter anderer Organisationen zu hosten. 75% der Unternehmen in einer von uns initiierten großen quantitativen Studie waren bereit, Mitarbeiter anderer Unternehmen zu hosten. Das war ursprünglich meine Befürchtung, die mangelnde Bereitschaft. Schön, dass dem nicht so ist.

Viele der Bedenken, die und gegenüber geäußert werden, drehen sich um drei Themen:

a)   Was wenn ich meine Mitarbeiter an das andere Unternehmen verliere?

b)   Was, wenn ich jemanden hoste, der unlautere Absichten hat, sprich der beispielsweise Ideen stehlen möchte.

c)   Angst, dass durch eine remote working culture die Etablierung einer starken corporate culture erschwert wird.

Zu den ersten beiden Punkten. Wir haben natürlich einen Code of Conduct, der Unternehmen dazu auffordert, von einem solchen Verhalten abzusehen. Ganz kann man es wahrscheinlich nicht ausschließen. Wobei, wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen wechselt, weil er von der Erfahrung so begeistert ist, legt das eigentlich den Finger in eine Wunde. Nämlich, dass man als Organisation Aufholbedarf hat. Dem entkommt man nicht, wenn man seine Mitarbeiter „einsperrt“ bzw. solche Erfahrungen verwehrt. Der andere Punkt betrifft die Angst vor Diebstahl wichtiger Daten. Dazu muss man sagen, dass man als Unternehmen ja nicht gezwungen ist, jemand spezifischen zu hosten. Apple würde wahrscheinlich keine Microsoft Mitarbeiter hosten. Sprich, ich habe als Unternehmen absolute Kontrolle, wen ich bei mir arbeiten lasse. Und wenn wir von negativem Verhalten hören, reagieren wir natürlich umgehend darauf.

Hubble: Viele Unternehmen befürchten, dass sich eine Nicht-Office-Zentrierte Strategie auf die Unternehmenskultur nachteilig auswirkt. Ihr geht ja mit Eurem Angebot noch einen Schritt weiter – die vermittelten Mitarbeiter tauchen in eine fremde Unternehmenskultur. Haben eure Kunden diese Bedenken? Wie begegnet ihr diesen?

Klaus Giller: Genau, das ist eben das dritte öfters geäußerte Bedenken. Der Gründer eines sehr progressiven und mutigen Linzer Unternehmens brachte es ganz gut auf den Punkt. Er meinte, dass er nur Positives sieht, wenn einer seiner Mitarbeiter in eine andere Unternehmenskultur eintaucht, weil er diese Erfahrungen dann wieder zu Hause in die Organisation einbringt und so einen Innovationsprozess in Gang setzt. Es gibt mittlerweile ja auch zahlreiche Beispiele von Unternehmen, die komplett remote sind, siehe Storyblok, und diese Unternehmen haben keine Probleme, eine positive corporate culture zu etablieren. Das liegt daran, dass solche Unternehmen von Beginn an remote waren und ganz anders in Bezug auf Unternehmensprozesse, Teambuilding etc. denken. Also es ist möglich und die größere Barriere liegt wohl in den Köpfen der Entscheidungsträger, die noch sehr eine traditionelle Office Culture gewohnt sind. Es ist aber einfach keine Entweder/Oder Entscheidung. Die Zukunft liegt in hybriden Arbeitsmodellen, davon bin ich überzeugt aber wie bei allem, das neu ist, gibt es eben eine Gewöhnungsphase.

Der Gründer eines sehr progressiven und mutigen Linzer Unternehmens meinte, dass er nur Positives sieht, wenn einer seiner Mitarbeiter in eine andere Unternehmenskultur eintaucht, weil er diese Erfahrungen dann wieder zu Hause in die Organisation einbringt und so einen Innovationsprozess in Gang setzt.

Hubble: Starke Marken sind emotionale Leader: sie wirken ja nicht nur Richtung Kunden, sondern sind immer auch die erste Orientierung für potentielle Mitarbeiter. Der „war of talent“, d.h. die besten Köpfe zu finden, zu halten und zu motivieren, ist in vollem Gange. Inwiefern denkst du, kann eine Integration des Work from Anywhere Trends die Unternehmenswahrnehmung unterstützen? Habt ihr hier vielleicht bereits Rückmeldungen von euren Kunden?

Klaus Giller: Starke, mutige Marken sind nur möglich, wenn starke und mutige Menschen an dieser Marke arbeiten, davon bin ich überzeugt. Und starke, mutige Menschen brauchen Vertrauen und Freiheiten. Ein anderes Zitat einer HR Führungskraft einer amerikanischen Tech-Konzerns:„"Instead of telling out employees how to work, we ask our employees how they want to work.“ Diese Dame hat es verstanden. Genau darum geht es. Die Mitarbeiter wissen am besten, wie sie am effektivsten arbeiten können und welchen Mix aus remote und office work sie brauchen. Es ist ja auch nicht so, dass wir uns dafür aussprechen, die gesamte Belegschaft in die Welt raus zu schicken. Viele der Menschen, mit denen wir sprachen, gehen gerne ins Büro um ihre Kollegen zu treffen und mal einen Kaffee zu trinken. Aber eben nicht jeden Tag. Und dann gibt es eben Zeiten, da möchte ich mal was erleben und eine neue Kultur kennenlernen, neue Erfahrungen machen. Und diese Diversität an Erfahrungen bringen diese Mitarbeiter zurück in ihre Organisationen, und das wiederum macht eine Marke letztendlich stark.

Hubble: Für welche Unternehmen ist es besonders wertvoll, ihre Mitarbeiter an einen anderen Ort und in ein anderes Unternehmen zu „verpflanzen“? Welche Unternehmen profitieren von so einem Konzept wie eurem besonders?

Klaus Giller: Ich sehe worlk vor allem als Chance für Unternehmen, die nicht Büros auf der ganzen Welt haben, die aber in einem globalen Wettbewerb um die high talents stehen. Oder wie du es genannt hast, „war of talent“. Worlk gibt lokalen Unternehmen einen globalen Reach. Und das zu minimalen Kosten. Somit können auch kleinere, innovative Unternehmen die besten Talente akquirieren.

Zweitens würde ich auch Unternehmen nennen wollen, die Probleme haben, einen Innovationsprozess zu starten. Es gibt doch nichts Effizienteres als zu schauen, wie es andere Unternehmen besser machen. Wenn die Mitarbeiter dann wieder nach Hause zurückkehren, nehmen sie dieses Wissen und neue Ideen mit.

 

 


Bild: Redd Unsplash