Resilienz, eine Schlüsselfähigkeit für krisengeprägte Zeiten.

Wir leben in einer sehr verunsichernden Zeit, so viele Umbrüche und Verschiebungen. Krisen geben sich die Türschnalle in die Hand. Das fordert uns als Menschen. Aber auch Unternehmen verlangt dieser Dauer-Krisenmodus viel ab. Wir haben mit dem Resilienz-Experten Mag. Christian Molnar gesprochen, um der Frage nachzugehen, was es braucht, um schwierige Phasen gut durchzustehen.

Resilienz-Experten Mag. Christian Molnar

“Resiliente Menschen fühlen sich nicht als Spielball von Kräften, die sie nicht beeinflussen können.”


Christian Molnar hat viele Jahre im internationalen Vertrieb gearbeitet und dabei auch einige Jahre in den USA gelebt. Nun lebt und arbeitet er als Lebens- und Sozialberater, systemischer Coach und Businesstrainer in Wien.

Bereits sehr lange und intensiv beschäftigt er sich mit den Themen Resilienz und Stressbewältigung, ein Wissen, das auch für seine ehrenamtliche Tätigkeit bei der Telefonseelsorge Wien sehr hilfreich ist.

Weitere Informationen finden Sie unter https://christianmolnar.at


Bei Menschen findet sich ein Schutz-Mechanismus, der ihnen hilft, sich anzupassen und der sie unterstützt, Krisen und schwierige Momente zu meistern: Resilienz.
Was versteht man kurz und bündig unter Resilienz?

Christian: Der Begriff der Resilienz kommt aus der Werkstoffkunde (resilire= zurückspringen) und bezieht sich auf Materialien, die, wenn man sie verformt, wieder die ursprüngliche Form annehmen. Das Standardbeispiel für ein resilientes Material ist der Schwamm. Wenn man ihn zusammendrückt und wieder loslässt, dann bekommt er wieder seine ursprüngliche Form.

Warum ist Resilienz eine „Superpower“ in Krisenzeiten?

Christian: Sie wirkt auf unser Mindset. Wenn man den Schutz-Mechanismus des Schwammes auf den Menschen überträgt, bedeutet das, ein Mindset zu entwickeln, das mir hilft, schwierige Zeiten unbeschadet zu überstehen oder sogar gestärkt herauszukommen.

Was zeichnet Menschen, die man als resilient bezeichnet, besonders aus?

Christian: Eine gute Orientierung gibt das Sieben-Säulen-Modell. Resiliente Menschen weisen sieben Aspekte in ihrer Persönlichkeit auf. Dabei ist immer zu bedenken, dass jeder Mensch individuelle Ausprägungen hat.

Generell kann man bei resilienten Menschen folgendes festmachen:

  • Optimismus: sie verfügen also über eine positive, lebensbejahende Einstellung.

  • Akzeptanz: sie haben gelernt, Begebenheiten, die geschehen sind und die man nicht mehr ändern kann, hinzunehmen, anstatt ewig damit zu hadern.

  • Selbstwirksamkeit: sie haben Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und sind überzeugt, ihr Leben selbst steuern zu können. Sie fühlen sich nicht als ein Spielball von Kräften, die sie nicht beeinflussen können.

  • Sie übernehmen Verantwortung, stellen sich der Herausforderung und verlassen dadurch schnell wieder die Opferrolle, falls sie diese überhaupt einnehmen.

  • Lösungsorientierung: d.h. sie lenken ihre Aufmerksamkeit auf möglich Lösungen und probieren immer wieder neue Lösungswege aus, anstatt Probleme endlos zu analysieren. Lösungsdenken findet in einer anderen Gehirnregion statt, als Problemanalyse. Das macht sie zu “Experten von Problemen”.

  • Zukunftsorientierung: sie entwerfen eine Vision ihres Lebens, ordnen dieser aber nicht ihr gesamtes Potential unter. D.h. sie schöpfen Ihre Ressourcen aus, erschöpfen sie aber nicht. Der Weg ist das Ziel.

  • Sie sind Netzwerk orientiert: verfügen über ein stabiles, soziales Umfeld, in das sie gut eingebettet sind.


Bleiben wir gleich beim letzten Punkt: Welche Bedeutung haben Beziehungen im Zusammenhang mit Resilienz?

Christian: Der Beziehungsaspekt ist einer der wichtigsten Aspekte der Resilienz.

Die Kauai Studie von Ruth Smith und Emmy Werner befasste sich erstmals 1938 mit Resilienz. Knapp 700 Familien in einer ärmlichen Gegend mit zum Teil sehr prekären Verhältnissen wurden hier untersucht. Man hat 40 Jahre lang beobachtet, wie sich die Kinder aus diesen Familien entwickelt haben. 1/3 der Kinder haben diese Zeit unbeschadet überstanden. Sie sind selbst verantwortungsvolle Erwachsene geworden. Haben ganz anders gelebt, als sie das gekannt haben. Sie waren offensichtlich resilient.

Dieses 1/3 hatte ein verbindendes Merkmal. Sie hatten außerhalb der Familie eine Bezugsperson, die für eine stabile Beziehung gesorgt hat, in der Respekt, Anerkennung, Wertschätzung vorhanden waren. Dank dieser Beziehung konnte sich das Kind entfalten und fand ein Umfeld vor, in dem Selbstwirksamkeit entstehen konnte. Dieses Gefühl von Selbstwirksamkeit steht in einem engen Zusammenhang mit dem Selbstbewusstsein.

Eine zweite Studie - „Die Havard-Studie“ -, 1938 begonnen und erst vor wenigen Jahren beendet, signalisiert: Menschen, die gute Beziehungen haben, sind glücklicher und leben länger.

Anmerkung: Die Harvard Studie besteht eigentlich aus zwei Studien - The Grant Study und The Glueck Study - aber das ist für diesen Rahmen wohl zu detailliert. Die Studie ist als „Harvard-Studie“ bekannt.

Du hast vorhin erwähnt, das resiliente Menschen einen sehr besonderen Umgang mit Zukunft charakterisiert. Wie gehen resiliente Menschen mit dem Aspekt der eigenen Zukunft also um?

Christian: Die Zukunftsorientierung ist insofern interessant, da sie eigentlich dem Aspekt der Achtsamkeit und dem Gebot des „Im Hier & Jetzt leben“ – beides wichtig für Resilienz – scheinbar zuwiderläuft.

Resiliente Menschen haben diese wohldosierte Zukunftsorientierung, die am besten durch die Erkenntnis von Buddisten zu erklären ist: Wenn die eigene Aufmerksamkeit in der Gegenwart nicht erforderlich ist, dann kann ich auch Zeit verwenden, um in die Zukunft zu schauen. Oder anders gesagt: Ich sollte immer einen guten Ausgleich zwischen den beiden Dingen schaffen. Auch wenn das Leben nur im gegenwärtigen Moment stattfindet, sind persönliche Ziele natürlich ein unverzichtbarer Navigator. D.h. diese Zukunftsziele sollten meine Entscheidungen, die ich heute treffe, beeinflussen.


„Für ein Schiff ohne Hafen ist kein Wind der richtige.“ (Seneca)

Metaphorisch weitergedacht: Man kann die allerbesten Segelbedingungen vorfinden. Wenn man nicht weiß, wohin man will, kommt man nie irgendwo an. Diese Art von Umgang mit der Zukunft ist nicht Resilienz fördernd.


Resiliente Menschen zeichnet aus, dass sie sehr gut darin sind, Probleme zu meistern. Du hast sie als „Experten für Probleme“ bezeichnet. Was wirkt sich besonders positiv auf das Bewältigen von Problemen aus?

Christian: Eines vorweg. Resiliente Menschen haben auch Tage, an denen sie nicht klarkommen und resigniert sind. Aber sie haben Strategien, aus dieser Spirale herauszukommen.

Das ist vor allem im Zusammenhang mit Problemen besonders interessant.

Resiliente Menschen machen zwei Dinge weniger. Erstens schauen sie nicht die ganze Zeit zurück und hadern. Zweitens schauen sie nicht ständig in die Zukunft und machen sich Sorgen. Beides führt dazu, dass ich mir das erfüllte Leben im Moment versage und Gefahr laufe, in der Problemspirale stecken zu bleiben.

“Der unspezifsche Umgang mit der Zukunft ist ja oft gekennzeichnet durch haltlose Mutmaßungen bzw. wird ein aktuelles Problem in die Zukunft transferiert und dort immer unbewältigbarer.”

Wenn wir von Problembewältigung sprechen: Wie wichtig sind Werte für die Resilienz?

Christian: Werte spielen eine zentrale Rolle. Sie sind wie ein Fundament, auf dem alles andere aufbaut. Emotionale Verstimmung hat darum fast immer mit Werteverstößen zu tun. Andererseits geht es mir gut, wenn in meinem Leben Dinge geschehen, durch die wichtige Werte besonders gut erfüllt werden. Unsere Gefühlslage ist ein gutes Sensorium, das uns anzeigt, ob wir im Einklang mit unseren Werten leben oder nicht. Diesen Gefühlen sollte man nachgehen – egal ob das ein individuelles Thema ist oder ein Unternehmens-Thema.

In diesem Zusammenhang ist wichtig zu wissen, dass sich Werte im Laufe des Lebens auch verändern – vor allem in Krisenzeiten kann das sehr schnell gehen, dass sich Werte verändern.

“Es gibt wahrscheinlich nicht nur Menschen, sondern auch Unternehmen, die zu lange an Dingen festhalten wollen, die man so jetzt nicht mehr braucht.“

Wenn wir bei Unternehmen bleiben. Als Mitarbeiter oder Kunde spürt man natürlich auch, ob die Werte eines Unternehmens stimmig konzipiert sind, ob es keine Widersprüche gibt zwischen dem, was gesagt und getan wird.


Werte sind Teil der eigenen Identität. Welchen Stellenwert hat die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität?

Christian: Die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität ist essentiell.

Heute hat Identitätsarbeit viel mit dem Kopf zu tun. Dabei würde es helfen, Dinge mehr zu erspüren und zu vereinfachen – das hat auch mit Resilienz zu tun.

Besonders resiliente Menschen haben ein Talent für Gespür. Sie können Bedürfnisse besonders gut wahrnehmen. Hier kommen auch die vorhin besprochenen Werte rein. Wenn mir etwas wichtig ist, gibt es Bedürfnisse. Diese wahrzunehmen und zu spüren, ermöglicht wertvolle Informationen, um dann entsprechend zu handeln.

Wahrnehmen und Spüren sind also gute Erkenntnisquellen für die Analyse von Problemen: „wo kommt es wirklich her“.


Zum Schluss: Welche Empfehlung würdest du Unternehmen und ihren Marken im Kontext der Resilienz-fähigkeit gerne geben?

Christian:

  1. Die Auseinandersetzung mit den 7 Säulen ist bestimmt wertvoll, weil man einiges finden wird, dass für Unternehmen ganz wesentlich ist. Insbesondere kann man sich Maßnahmen überlegen, um die einzelnen Säulen der Resilienz bei den Mitarbeitern ganz gezielt zu stärken.

  2. Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und den Werten, die mir wichtig sind.

  3. Reduktion von Komplexität und damit Reduktion von Auswahlmöglichkeiten. Das führt immer auch zu einer Reduktion von Stress. Stressbewältigung ist ganz wesentlich, um zu mehr Resilienz zu gelangen.


In unserem Gespräch sind wir bewusst auf der persönlichen Ebene geblieben, um das Phänomen der Resilienz menschlich greifbar zu machen. All diese Erkenntnisse sind aber auf Unternehmen und Marken übertragbar.

Wir verbleiben mit zwei Fragen zum Nachschwingen:

  • Auf was können Sie zurückgreifen, um mit vorhersehbaren und unvorhergesehenen Unsicherheiten/Herausforderungen umzugehen - im besten Fall sogar besser zu werden?

  • Welche Resilienz-Faktoren stecken in Ihrem Unternehmen, Ihrer Marke?