Brand Driven Transformation: Wie Wien Energie die Marke als inspirierendes Transformationstool nutzt.

Auch wenn aktuell die Konsequenzen des Ukraine-Kriegs den Blick auf Energie prägen, ist der Klimawandel langfristig die gesellschaftlich essentiellere Herausforderung. Das stellt Energieunternehmen vor einschneidende Veränderungen. Veränderungen, die nur dann gelingen können, wenn alle im Unternehmen, aber auch seine Kund:innen und Partner:innen ein gemeinsames Verständnis davon haben, welches Anliegen das Unternehmen antreibt und welche Zukunftsziele es anstrebt.

Wir haben mit Astrid Salmhofer, Head of Communication, und Sandra Haiden, Leitung Brand Management, bei Wien Energie eine Zwischenbilanz gezogen, wie die Marke als wichtige Plattform für die Transformation des Unternehmens fungiert und was alles dazugehört, damit die Marke den Wandel aktiv und konstruktiv unterstützt. 

Die neue Positionierung inspiriert unseren Doer-Spirit – es ist sehr schön zu erleben, wie alle mit Begeisterung dabei sind.”

Mag. Sandra Haiden, Head of Brand Management (li) und Mag. Astrid Salmhofer, Head of Communication bei Wien Energie.

Hubble: Wien Energie hat 2020 eine Repositionierung der Marke initiiert. Was war Eure Intention und die konkreten Erwartungen an dieses Vorhaben?

Astrid Salmhofer: Das alte Mantra „Strom ist Strom“ hat sich überholt. Die Menschen haben die Vorstellung, dass Infrastrukturunternehmen wie wir heute eine Vorreiterrolle beim Klimawandel einnehmen müssen. Und sie haben recht damit. Denn gerade Großstädte wie Wien sind zu einem sehr hohen Prozentsatz für den CO2 Ausstoß verantwortlich. Für uns war klar, dass wir eine neue Markenpositionierung brauchen, die unseren reason to exist aktualisiert, unsere Leistungen emotionalisiert und ein Markenversprechen abgibt, dass Kund:innen und Mitarbeiter:innen emotional an das Unternehmen bindet.

Hubble: Vergleicht man den Kampagnen-Auftritt vor der Re-Positionierung mit dem neuen Ansatz, so ist der Shift fundamental. Was hat Euch dazu veranlasst, soweit zu gehen?

Astrid Salmhofer: Unser jährliches Image-Monitoring hat immer schlechtere Werte in Dimensionen wie z.B. „zukunftsorientiert“, „wichtig für Wien“, „tut viel für die Umwelt“, „bietet intelligente Lösungen“ gezeigt, obwohl wir immer mehr Initiativen und Leuchtturmprojekte für den Klimaschutz und die Dekarbonisierung der Stadt umgesetzt hatten. Unsere Leistungen wurden also von den Menschen nicht registriert. Hinzu kam, dass wir immer stärker mit der Neukundengewinnung zu kämpfen hatten. Obwohl wir das Top-Thema der Menschen - Klimaschutz - immer stärker in den Mittelpunkt der Kommunikation rückten, hatten wir das Gefühl, dass unsere Botschaften die Menschen nicht erreichten. Die bis dahin gültige Positionierung rund um Kundenservice und Produktvielfalt, verdichtet im Claim „So bunt wie mein Leben“, war also nicht mehr der adäquate Rahmen, um unsere Anstrengungen und Leistungen für die Menschen greifbar zu machen. Also haben wir beschlossen, die Markenpositionierung anzugreifen.

Sandra Haiden: Für uns war klar, dass wir unsere Probleme nur lösen, wenn wir das Thema Marke angehen. Unsere Imagewerte, wie Astrid angesprochen hat, sind trotz höherer Anstrengung gesunken. Nicht um viel, aber im Langzeitvergleich dann doch beträchtlich. Konkret gezeigt hat sich dieses Absinken der Markenrelevanz bei der Kundenabwanderung und schwierigeren Mitarbeitergewinnung. So gesehen gab es keine Alternative.

Für uns war klar, dass wir unsere Probleme nur lösen, wenn wir das Thema Marke angehen.

Hubble: Eine Marke weiterzuentwickeln, um damit die Unternehmens-Transformation nicht nur erlebbar zu machen, sondern auch weiter zu treiben, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Immerhin geht es um Weichenstellungen für die Zukunft bzw. Rahmenbedingungen für Wachstum. Was war euch dabei wichtig?

Sandra Haiden: Uns war wichtig, nicht nur die Positionierung im eigentlichen Sinn – also „Wie können wir uns am Markt durchsetzen?“ und „Welches Argument liefern wir Kunden?“ – zu entwickeln, sondern auch die Marken-Identität herauszuarbeiten.

Fragen wie Wer sind wir? Woran glauben wir? Welche Fähigkeiten zeichnen uns aus? waren wertvolle Explorationsfelder, um der Marke eine authentische und emotional eigenständige Energie zu geben.

Wir sind überzeugt, dass die ernsthafte Auseinandersetzung mit Schlüssel-Fähigkeiten, Werten und Überzeugungen zu einer fundierten Markenpositionierung gehören. Es geht ja um Strahlkraft nach aussen UND innen.

Euer Markenmodell ermöglichte uns, einen sehr strukturierten Prozess zu durchlaufen und alle Aspekte zu durchleuchten, die es aus unserer Sicht braucht, um eine Marke gut aufzusetzen. Somit konnten wir unserem C-Level Vorschläge unterbreiten, die stimmig zum Unternehmen und seiner Kultur sind.

Astrid Salmhofer: Dank des gewählten Prozesses haben wir uns noch intensiver mit unseren Kunden auseinandergesetzt. Im Nachhinein sind wir bestätigt, wie wichtig es ist, ihre Bedürfnisse und Erwartungen zu durchleuchten und zu verstehen. Auch die Methoden, wie wir Consumer Insights und das Zielgruppen-Profil erschlossen haben, war maßgeblich. Basierend auf den dazu durchgeführten Marktforschungs-Erkenntnissen konnten wir sehr zielgerichtet die weiteren Entscheidungen treffen. Und uns wurde klar, welche unserer Leistungen daher relevant für sie sind und worauf wir in Zukunft fokussieren sollten.

Hubble: Die neue Positionierung ist jetzt seit ca. einem Jahr die strategische Basis eurer Kommunikations-Maßnahmen, aber auch für die Navigation im Marketing, Vertrieb. Welche Erfahrungen bzw. Ergebnisse konntet ihr bereits festmachen?

Astrid Salmhofer: Dadurch, dass wir im Zuge des Markenprozesses eine klar umrissene Wachstumszielgruppe herausgearbeitet haben, die wir qualitativ wie auch quantitativ bestimmt hatten, konnten wir im Business Planning Zielsetzungen formulieren und tracken. Schon nach kurzer Zeit stellten sich erste Erfolge eine, die Abwanderung konnte abgefedert werden, die Umsätze verbesserten sich.

Besondere Erfolge verzeichnen wir beim Thema Employer Branding. Wir wussten, dass wir in den kommenden Jahren 1000 neue Stellen besetzen müssen. Durch Pensionen, natürliche Fluktuation etc. Wenn sich heute Menschen bei uns vorstellen, dann kommt auf die Frage „Warum Wien Energie?“ Antworten wie: Weil ihr so viel für den Klimaschutz macht. Weil ihr die Stadt lebenswert macht. Wir gewinnen also neue Mitarbeiter:innen, die sich uns aus Überzeugung anschließen und nicht, weil sie einen Job brauchen. Wir sind hier in einer privilegierten Position, denn quer über alle Industrien werden momentan händeringend Mitarbeiter:innen gesucht. Und wir bekommen tolle Leute, jeder Generation.

Mit der Markenpositionierung ist es gelungen, eine solide Basis für eine nachhaltige Verbindung zwischen Unternehmen, seinen Kund:innen und den Mitarbeiter:innen zu schaffen.

Sandra Haiden: Es ist eine tolle Bestätigung für unsere Arbeit, dass die Marke eine sinnstiftende und identifizierende Wirkung auf Menschen hat. Wir machen konsequent ein Tracking der Werbung und wir sehen, dass wir bei den unter 30jährigen zugelegt haben. Vor allem im Vergleich zu unserem Mitbewerb. Wir haben bei den jungen Leuten die Nase vorne.

Hubble: Lasst uns kurz über den Einfluss auf die Produktentwicklungen sprechen. Eine wirkungsvolle Markenpositionierung verbindet Gegenwart und Zukunft – nur so kann sie die Transformation unterstützen. Wir haben bei der Ausarbeitung der neuen Positionierung eure Leistungen und Produkte analysiert. Diese Bestandsaufnahme entfachte eine ausführliche Diskussion, wie die zukünftige Marke den aktuellen Status und die Unternehmens-Vision glaubwürdig verbinden kann. Auf der einen Seite waren bereits sehr ambitionierte Klimaschutz-Projekte umgesetzt, hohe Investitionen bereitgestellt – Stichwort Klimamilliarde – und wichtige Meilensteine in Planung. Auf der anderen Seite war auch offensichtlich, dass vor allem im Produktbereich noch wichtige Lösungen zu entwickeln sind. Welchen Einfluss hat die neue Positionierung auf die Produktentwicklung?

Sandra Haiden: Die Positionierung ist ja noch jung. Dass das Unternehmen für den Klimaschutz viel tut, ist weniger jung. Wir haben im Zuge einer kritischen Bestandsaufnahme festgestellt, dass es eine Lücke zwischen dem, was wir tun und dem, was wahrgenommen wird, gibt. Geleitet durch die neue Markenpositionierung gibt es nun neue Dynamiken. Wien Energie war in der Infrastruktur schon immer stark. In der Produktgestaltung war das noch nicht so erlebbar. Und da werden wir nun immer besser.

Die Positionierung ist für die Produktentwicklung eine große Inspiration – sie eröffnet uns neue Geschäftsfelder.

Die Sonnenpakete gingen vor kurzem in eine zweite Mitmachphase – hier können Konsument:innen an der Stromgewinnung durch Solarpanele an Wiens Dächern oder auf Flächen der Friedhofsgärtnerei am Gelände des Zentralfriedhofs profitieren. Man kann bis zu 5 Sonnenpakte á EUR 250,- erwerben und erhält die nächsten fünf Jahre eine Vergütung in Form eines Gutscheins auf die Stromrechnung. Das Produkt war ein echter Renner und binnen kürzester Zeit ausverkauft.

Hubble: Die Marke Wien Energie ist ein verdichtetes Commitment des Unternehmens, dem Klimawandel tatkräftig zu begegnen. Aktuell wird die Klimakrise durch die Energiekrise – Gas und Preis – überschattet. Wie beeinflusst das die Markenführung?

Sandra Haiden: Aktuell beschäftigt uns natürlich gerade das Thema „Raus aus Gas“. Hier hat uns die Zeit eingeholt. Denn die Zielsetzung bis 2040 CO2 neutral zu sein war ja an sich schon sehr ambitioniert. Durch die aktuelle Situation muss es jetzt noch schneller gehen.

Astrid Salmhofer: Die Krise hat uns einen immensen Schub gegeben hat. Wir wachsen an ihr. Vor allem intern. Die intrinsische Motivation etwas zu tun, dass diese Stadt in die richtige Richtung geht, ist enorm groß im Haus. Was jahrelang ein Problem oder eine Herausforderung bei der Produktentwicklung war, geht jetzt plötzlich ganz schnell. Tarife mit reinem Öko-Strom oder unser Sonnenpakete-Anlagemodell wurden in Windeseile entwickelt und zur Marktreife geführt.

Wichtig zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang der Wert der Positionierung für Innen – die vielen unterschiedlichen Teams. Wenn wir heute Maßnahmen entscheiden oder Produkte entwickeln, liegt die Positionierung immer auf dem Tisch. Wir fragen uns: Ist diese Innovation oder Maßnahme stimmig zu unserer Positionierung? Haben wir alles mitgedacht? Fehlt uns etwas? Was heißt das für den Klimaschutz? Die Positionierung inspiriert also die Unternehmensentwicklung und hat intern einen hoch motivatorischen Effekt, weil sich die Mitarbeiter:innen mit ihr identifizieren.

Hubble: Wir haben bei der Entwicklung der Positionierung einen gemeinsam abgestimmten Prozess verfolgt: was war daran besonders wertvoll und hilfreich? Warum habt ihr diese anspruchsvolle Aufgabe nicht allein intern gemacht?

Astrid Salmhofer: Wir haben die Aufgabe nicht allein gemacht, weil es Experten braucht, die so einen Prozess aufsetzen und moderieren können. Zudem ist es unverzichtbar, mit kompetenter, kritischer Außensicht zu arbeiten. Wir operieren hier tagtäglich mit Weltmärken, Preisen und Produkten. Es war uns wichtig von außen Feedback zu bekommen, wie wir gesellschaftlich unterwegs und welche wichtigen Trends wir nicht oder zu wenig beachten.

Uns war Expertise und Professionalität wichtig. Wir trafen bei euch auf ein Grundverständnis und ein Know-How, wo wir das Gefühl hatten, dass wir unsere Absichten mit euch umsetzen können. Ihr habt die richtigen Fragen gestellt und ihr habt, wie schon erwähnt, einen Prozess aufgesetzt, in dem immer genug Zeit und Platz war, unser C-Level abzuholen und uns die Freigaben für den nächsten Schritt zu sichern.

Hubble: C-Level ist ein gutes Stichwort. Markenverantwortliche stehen oft vor der Herausforderung, das Top-Management für die notwendige Markenentwicklung zu gewinnen. Wie habt ihr Euren C-Level für diese Aufgabe sensibilisiert und reingeholt?

Astrid Salmhofer: Wir haben unser C-Level mit fundierten Erkenntnissen konfrontiert. Um sie einzubinden waren die Marktforschungs-Ergebnisse Gold wert. Jeder wollte wissen, wie der Kunde über Wien Energie denkt und was wir tun könnten, um mit ihm eine vertrauensvolle Ebene herzustellen. Unsere Ausarbeitungen haben überzeugt, weil sie umfassend, präzise und schlüssig waren. Sie wurden deswegen nicht minder heiß diskutiert.

Es hat sehr geholfen, dass wir die Positionierung in Stufen ausgearbeitet haben und die Geschäftsführung in Etappen reingeholt haben.

Es war eine gute Vorgehensweise, nicht den Prozess komplett zu durchlaufen und den C-Level erst am Schluss mit dem Ergebnis zu konfrontieren.

Hubble: Wir haben viel über die Vermittlung Richtung C-Level gesprochen. Ihr habt 2500 Mitarbeiter. Wie geht es Euch bei der Vermittlung der Positionierung hin zu den vielen Mitarbeiter:innen und Kolleg:innen?

Astrid Salmhofer: Wir sind, als die Positionierung fertig war, mit einer starken Einführungskampagne gestartet, um allen zu zeigen, was unsere Ambition ist und wie wir mit ihr umgehen. Zeitgleich dazu wurde eine interne Kampagne lanciert. Unser Top-Management machte Roadshows. Es ist wichtig, persönlich über die Positionierung zu reden. Die Teams müssen erleben, dass das Management hinter der Positionierung steht und es ist wichtig, dass sie das Vorhaben von den Führungskräften selber hören.

Das ist deshalb essentiell, weil jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin in den Abteilungen nach Zielvorgaben geführt wird. Um klar zu machen, dass uns Klimaschutz wichtig ist, stellen wir daher all unseren Kollegen die Frage: Was ist dein Beitrag? Was trägst Du zum Klimaschutz bei? Die Antworten übertragen wir in Ziele und die werden nach Erreichung in finanzieller Form vergütet. Markenziele werden also zu persönlichen Zielen.

Hubble: Mit dem Thema Nachhaltigkeit kommt auch der Aspekt des Green-Washing. Ihr werdet wahrscheinlich auch immer wieder mal Gegenwind spüren: wie geht ihr damit um?

Astrid Salmhofer: Ich war kürzlich bei einer Podiumsdiskussion im Panel und wurde hart kritisiert wegen unserer Aussagen zum Klimaschutz. Ja, wir haben Gaskraftwerke. Aber wir haben auch einen Versorgungsauftrag. Wir versorgen eine Millionenstadt. Der Energiehunger ist unfassbar groß. Das geht alles nicht von heute auf morgen. Wir können nicht von heute auf morgen alle Dächer Wiens mit Photovoltaik ausstatten. Aber Wien Energie hat die Herausforderung angenommen und arbeitet daran, von fossilen Energieträgern immer unabhängiger zu werden.

Wichtig erscheint mir bei allen Gegenstimmen, dass wir bereits am Tun sind, nicht nur darüber reden. Und das können wir auch konkret beweisen. Deshalb glaubt man uns auch in der Bevölkerung und vertraut uns.

Hubble: Zum Schluss noch zu einem Punkt, der uns persönlich sehr freut, weil die ernsthafte und umsichtige Bemühung, die Marke bestmöglich im Sinne der gesellschaftlichen Herausforderungen voranzubringen, von einer Fach-Jury anerkannt wurde. Wien Energie hat in der Kategorie Nachhaltigkeit den Staatspreis Marketing gewonnen und insgesamt die meisten Nominierungen - eine davon für die Markenpositionierung. Welche Auswirkungen hatte das intern in Bezug auf den Stellenwert von Marke und Markenmanagement?

Sandra Haiden: Wir waren sehr stolz auf diesen Preisregen. Es kommt ja nicht oft vor, dass ein Unternehmen für seine Positionierung und Maßnahmen, die aus dieser Positionierung heraus entwickelt wurden, nominiert und ausgezeichnet wird. Die neue Positionierung inspiriert unseren Doer-Spirit – es ist sehr schön zu erleben, wie alle mit Begeisterung dabei sind.

Aber viel wichtiger als der Preis ist, dass unsere Markenarbeit im Arbeitsalltag so positiv aufgeht und wir eine gemeinsame Plattform geschaffen haben, die uns alle vereint und motiviert. Das ist gerade in dieser Zeit nochmals wichtiger geworden.  

 

 


Bild: Jacek Dylag Unsplash